VSR-Gewässerschutz stellt hohe Nitratbelastung fest

Matthias Ahlbrecht (dritte Person von links), Bundesfreiwilliger beim VSR-Gewässerschutz, berät Brunnenbesitzer am Informationsstand des Labormobils. Harald Gülzow (vierte Person von links) analysiert eine Wasserprobe auf den Nitratgehalt. Fotografin: Anja Roth/ VSR-Gewässerschutz e.V.

Weizenanbau muss nachhaltiger werden

GROSS-GERAU – Viele Bürger kamen am 24. Mai 2022 an den Informationsstand der gemeinnützigen Organisation VSR-Gewässerschutz in Groß-Gerau, um ihr Brunnenwasser untersuchen zu lassen. Es waren zahlreiche Brunnenbesitzer dabei, die wissen wollten, ob sie im Notfall das Wasser auch zum Trinken nutzen können. „Gerade für Familien mit Säuglingen und Kleinkindern ist es wichtig, dass das Wasser keine höhere Nitratbelastung von 50 mg/l aufweist“, so Susanne Bareiß-Gülzow, Vorsitzende im VSR-Gewässerschutz.

Sie erklärt: „Wenn Babynahrung aus Wasser mit hohen Nitratkonzentrationen zubereitet wird, kann es bei Säuglingen zur Blausucht kommen. Dies ist eine Unterversorgung des Blutes mit Sauerstoff und kann für Kleinkinder lebensbedrohlich sein.“ Leider musste jeder zehnte Brunnenbesitzer erfahren, dass der Nitratgrenzwert der Trinkwasserverordnung überschritten ist. Insgesamt wurde das Wasser von 166 privat genutzten Brunnen aus dem Raum Raunheim – Rüsselsheim – Trebur – Nauheim – Groß-Gerau – Klein-Gerau – Büttelborn – Riedstadt – Gernsheim analysiert. Dipl.-Phys. Harald Gülzow und Dr. Matthias Ahlbrecht fanden bei den Untersuchungen 140 Milligramm Nitrat pro Liter in einem privat genutzten Brunnen in Worfelden. Weitere mit Nitraten stark verschmutzte Brunnen stellten die Umweltschützer in Mörfelden mit 61 Milligramm pro Liter (mg/l), in Königstädten mit 131 mg/l, in Trebur mit 65 mg/l, in Erfelden mit 105 mg/l, in Crumstadt mit 67 mg/l, in Gernsheim mit 81 mg/l und in Klein-Rohrheim mit 70 mg/l fest.

Der gemeinnützige Verein setzt sich bereits seit vielen Jahren für den Schutz des Grundwassers ein. Die Mitglieder werten nicht nur die Ergebnisse der Nitratmessungen des Brunnenwassers aus, sondern auch die regionalen landwirtschaftlichen Daten. Anhand dieser Recherchen können die Umweltschützer erkennen, welche landwirtschaftliche Nutzung besonders zur Nitratbelastung beiträgt. Auf ihrer Homepage sind die aktuellen Auswertungen veröffentlicht.

Untersuchungsangebote weiterhin vorhanden

Brunnenbesitzer, die den Termin am Labormobil verpasst haben, finden auf der Internetseite der Gewässerschutzorganisation auch weitere Informationen zu den angebotenen Untersuchungen. Bis Ende September können die Wasserproben auch per Post an die Geschäftsstelle in Geldern zugesendet werden.

Bei ihrer Recherchearbeit fiel den Gewässer-Experten auf, dass gerade in den Kreisen, in denen viel Weizen angebaut wird, auch eine höhere Nitratbelastung vorliegt. Im Kreis Groß-Gerau macht der Weizenanbau bereits 21 % der Ackerflächen aus. Der Weizen ist eine der wichtigsten Nahrungsnutzpflanzen der Welt. Durch eine zusätzliche späte Düngung des Weizens wird ein besonders hoher Eiweißgehalt des Getreides erreicht – heutzutage immer noch ein Qualitätsmerkmal für besonders gute Backeigenschaften. Der Dünger wird häufig nicht mehr vollständig von den Pflanzen aufgenommen und die überschüssigen Nitrate werden dann ins Grundwasser ausgewaschen. Der VSR-Gewässerschutz fordert, dass diese Nitratauswaschung von den Weizenfeldern vermieden werden muss. „Der Eiweißgehalt wird fälschlicherweise immer noch ausschließlich als Qualitätskriterium für die Verwendung als Backweizen angesehen. Das kritisieren bereits zahlreiche Wissenschaftler. Dabei ist schon lange bekannt, dass auch hervorragende Brote mit weniger Eiweiß gebacken werden können“, so Susanne Bareiß-Gülzow. Reicht der Eiweißgehalt des Weizens nicht aus, kann dieser nur noch als Futterweizen verkauft werden. Und so landet ein sehr hoher Anteil des angebauten Backweizens in den Futtertrögen. „Der hier angebaute Weizen sollte der Brotherstellung dienen und zur Ernährungssicherheit beitragen“, bemerkt Susanne Bareiß-Gülzow. Es ist fatal, dass sich weltweit der hohe Eiweißgehalt des Weizens etabliert hat. Der VSR-Gewässerschutz fordert ein Umdenken des Handels: Die Anforderungen an Backweizen müssen umfangreicher bewertet werden – ein hoher Eiweißgehalt darf nicht allein ausschlaggebend sein. Es muss dringend verhindert werden, dass die Trinkwasservorräte durch den Weizenanbau weiterhin mit Nitraten belastet werden.

Spätdüngung verspricht weiterhin fabelhaftes Brot

Das dies gelingen kann, zeigt ein Vorzeigeprojekt aus Bayern. Hier verzichten bereits einige Landwirte auf die Spätdüngung des Weizens. Das Getreide weist dann zwar tatsächlich einen geringeren Eiweißgehalt auf, dennoch entsteht daraus ein hervorragendes Brot. In der Initiative Wasserschutz-Brot haben sich Landwirte, Müller, Bäcker und Wasserversorger zusammengeschlossen mit dem gemeinsamen Ziel das Trinkwasser vor Belastungen zu schützen. Bei den Kunden sind die Backwaren sehr beliebt und einige Bäckereibetriebe haben sogar vom Deutschen Brotinstitut Auszeichnungen für das Wasserschutz-Brot erhalten. Umso unverständlicher, dass dieses erfolgreiche Projekt in Bayern bisher noch keine Nachahmer in anderen Bundesländern gefunden hat. Der VSR-Gewässerschutz fordert auch andere Bundesländer und Regionen Deutschlands auf, sich diesem Modell anzuschließen und mit vergleichbaren Projekten am Schutz der Grundwasservorräte vor Belastungen aus der Landwirtschaft zu beteiligen.

Durch Brunnenwasseruntersuchungen erkennen die Mitglieder vom VSR-Gewässerschutz Belastungen des Grundwassers möglichst frühzeitig und umfassend. Gefährdung von Menschen durch die Nutzung von Grundwasser kann so verhindert werden. Mit ihren Messkampagnen treibt die gemeinnützige Umweltschutzorganisation umweltpolitische Maßnahmen voran. Der VSR-Gewässerschutz zeigt, dass die bisherigen politischen Maßnahmen nicht ausreichen, um die Trinkwasserressourcen für weitere Generationen zu sichern.

(PS)

Harald Gülzow vom VSR-Gewässerschutz untersucht im Labormobil eine Wasserprobe auf den Nitratgehalt vor einem Weizenfeld. Fotografin: Anja Roth/ VSR-Gewässerschutz e.V.

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