SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert und OB-Kandidat Hanno Benz im Gespräch

Foto: SPD

„Wir dürfen niemanden zurücklassen“

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert und OB-Kandidat Hanno Benz im Gespräch über eine Politik, die wieder für alle da ist  – und Perspektiven für die Lilien

Zum Auftakt des Oberbürgermeisterwahlkampfs war SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert (33) zu Gast in Darmstadt. Der Berliner Bundestagsabgeordnete motivierte seine Darmstädter Genossinnen und Genossen mit einem kämpferischen Appell für die anstehenden Wahlkampf-Wochen und nahm sich gemeinsam mit dem SPD-Bewerber für das Amt des Darmstädter Oberbürgermeisters, Hanno Benz (50), die Zeit für ein Gespräch mit Jutta Prochaska und Frank Horneff.

Hallo Hanno Benz, hallo Kevin Kühnert, schön, dass Sie die Zeit für das Gespräch haben. Fangen wir gleich ganz vorne an: Warum sind Sie Politiker geworden?

Kevin Kühnert: Ich bin über die Schülervertretungsarbeit politisch sozialisiert worden. Und ich bin einfach so erzogen worden, dass man sich nicht nur um sich selbst dreht, sondern immer schaut, wo man für andere etwas machen kann. Ich bin von Hause aus Vereinsmensch und eine Partei ist ja auch nichts anderes als ein Verein, der für das Gemeinwesen arbeitet. Das war mein Weg zur SPD und in die Politik.

Hanno Benz: Wenn man etwas für die Menschen tun will, wenn man etwas verändern will, wenn man etwas gestalten will, dann muss man sich engagieren. Mir war klar, dass das nur in der Politik möglich ist. Und will man sich positiv für Menschen einsetzen, war für mich klar, dass das nur in der SPD funktioniert.

Ihr Slogan für die bevorstehende Oberbürgermeisterwahl  lautet: „Darmstadt muss wieder für alle da sein.“  Was bedeutet das für Sie und woran kann man das konkret fest machen?

 Hanno Benz: Wir müssen für alle Menschen in dieser Stadt Politik machen. Wir dürfen niemanden zurück lassen und deswegen muss die Politik die gesamte Stadt in den Blick nehmen. Die Stadt ist die Summe ihrer Stadtteile und deswegen müssen der Oberbürgermeister und mit ihm der Magistrat auch Politik für alle Stadtteile machen. Politik muss den Menschen bei ihren   täglichen Bedürfnissen helfen, ihnen das Leben leichter machen und ihnen helfen, den Alltag gut zu gestalten.

Kevin Kühnert: Realität ist immer ganz brutal echt. Politik darf nie auf Statistiken allein aufbauen. Würden wir anfangen, in Städten zu sagen, die Miete ist im Durchschnitt bezahlbar und die Arztpraxen-Dichte ist im Durchschnitt ausreichend und die Verkehrsversorgung ist im Durchschnitt gut, dann hätte man seine Aufgabe in der Kommunalpolitik verfehlt. Es ist, wie Hanno sagt: Den einzelnen Menschen, den einzelnen Haushalt, die einzelne Familie mit ihren Bedürfnissen und Herausforderungen im Blick zu haben, das ist Kommunalpolitik im eigentlichen Sinne. Und es ist das Gegenteil von bloßer Bürokratie.

Nennen Sie doch noch mal den einen oder anderen Schwerpunkt, den Sie in den Stadtteilen sehen. Wo sehen Sie Anhaltspunkte für: „Darmstadt muss wieder für alle da sein“?

Hanno Benz: Da gibt es für mich einen ganz konkreten Punkt: Die  Verwaltung muss da sein, wo die Menschen sind. Vor Ort. In den letzten Jahren sind die Verwaltungsangebote in den Stadtteilen kontinuierlich abgebaut worden. Das ist genau der Punkt, den ich anders machen werde. Ich werde   die Verwaltungspunkte überall dort , wo sie abgebaut worden sind,  wieder aufbauen und darüber hinaus ausbauen, damit die Menschen vor Ort, da wo sie wohnen, ihren Pass beantragen können und Verwaltungsangelegenheiten regeln können. Verknüpft mit  digitalen Angeboten, wo die sogenannte Digitalstadt Darmstadt weit hinterher hinkt, ist das meine Idee  für eine moderne Verwaltung.

Die Zeiten sind schwierig. Welchen  Handlungsspielraum sehen Sie  in Zeiten von Krisen für soziale Politik?  Was ist das Dringendste was momentan angegangen werden muss, sowohl aus bundespolitischer Sicht als auch vor Ort?

Kevin Kühnert: Ich mache Wohnungs- und Baupolitik im Bundestag und insofern bleibe ich jetzt hier mal bei meinen Leisten und sage dazu etwas. Wir haben uns in Deutschland mühsam wieder zu der Erkenntnis gearbeitet, dass Wohnen ein soziales Menschenrecht ist und eben nicht wie eine Ware behandelt werden kann. Jetzt müssen wir anfangen, danach zu handeln. Wir stellen in den nächsten Jahren irrsinnig viel Geld vom Bund bereit um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen – 14,5 Milliarden Euro Wohnraumförderung. Das muss aber vor Ort auch jemand aufgreifen und da ist es  wie in allen Bereichen, ob bei erneuerbaren Energien oder beim Wohnen: Manche Länder machen mehr, manche Kommunen machen mehr und andere machen weniger. Es muss Leute vor Ort geben, die sagen: Das machen wir zu unserer Aufgabe, wir mobilisieren Grundstücke, wir haben noch eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft, wir treiben die zum Bauen an und wir nutzen die Schutzregeln, die das Mietrecht in Deutschland für die Menschen vor Ort bietet. Im Bund  können wir den Rahmen schaffen, aber es kommt darauf an, ob vor Ort jemand den Ball aufnimmt.

Hanno Benz: Das ist vollkommen richtig und ich denke, gerade das Thema Wohnen ist auch immer ein kommunales Thema. In Darmstadt haben wir Steuerungsmöglichkeiten über unsere Wohnungsbaugesellschaft bauverein AG. Es waren übrigens die Sozialdemokraten, die in den neoliberalen Nullerjahren widerstanden haben, die Wohnungsbaugesellschaft und  die Energieversorger zu verkaufen und sie zum Glück in städtischer Hand behalten haben. Das gibt uns jetzt die Gestaltungsmöglichkeit. Wohnungsbaupolitik, Wohnungspolitik heißt auch, man muss  die Bedingungen anpassen. Wir müssen über die Frage nachdenken wie wir in der Wohnungspolitik Klimaanpassungspolitik umsetzen. Wie gehen wir mit den veränderten klimatischen Bedingungen um?  Wir müssen die Frage von Flächen- und Ressourcenverbrauch an der Stelle stellen: Müssen wir weiterhin so viel Quadratmeter Wohnraum pro Person bauen, wie momentan üblich oder kann man auch verkleinern?  Wir müssen über die Stadtgrenzen hinaus denken – das fällt Kommunalpolitik traditionsgemäß etwas schwer: Statt  den letzten Hinterhof zu verdichten und  jede Chance zur Aufstockung zu nutzen müssen wir auch solche Fragen im größeren Kontext denken und gemeinsam mit den umliegenden Gemeinden und Landkreisen Lösungen finden.

Damit sind wir beim Thema Verkehr: Da geht es dann um die Frage, wie wir Mobilität gestalten und wie wir den ÖPNV ausbauen, damit Menschen, die eben nicht in der Kernstadt wohnen auch gut zu ihren Arbeitsplätzen, zum Einkaufen oder ins Theater kommen.

Zum Abschluss, Kevin Kühnert, noch eine Einschätzung: Im April spätestens wird Hanno Benz neuer Oberbürgermeister in Darmstadt, im Mai steigen die Lilien in die Bundesliga auf?

Kevin Kühnert (lacht):  Im Moment ist die Grundlage dafür nicht die schlechteste. So lange Arminia Bielefeld gleichzeitig die Klasse hält, hat das mein Einverständnis. Ich hoffe nicht, dass es für die Lilien am Ende an den zwei Punkten scheitert, die wir Euch durch den Ausgleich  in der 93. Minute vor einigen Wochen wieder weggenommen haben. Ich würde ja fast sagen, das tut mir  leid, aber das tut es nicht.

Und Hanno Benz kommt zu Aufstiegsfeier?

Hanno Benz: Selbstverständlich.

Na, das wäre doch auch ein schöner Termin!  

Vielen Dank Ihnen beiden für das Gespräch.

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