Erster Kreisbeigeordneter Adil Oyan informiert sich auf Biohöfen: Weniger Bürokratie ist der Hauptwunsch

Werrngässer Hof: von links Tobias Hebermehl, Velten Hebermehl, Adil Oyan und Volker Hebermehl. Fotos (4): Kreisverwaltung

„Wir müssen wissen, wo der Schuh drückt“

KREIS GROSS-GERAU – Gemeinsam mit Vertreter*innen des Fachbereichs Regionalentwicklung, Wirtschaft und Umwelt hat sich Erster Kreisbeigeordneter Adil Oyan im vergangenen Vierteljahr auf mehreren biologisch bewirtschafteten Höfen und Flächen umgesehen.

Im Gespräch mit den Besucher*innen stellten sich die jeweiligen Leitungen vor und berichteten von ihren Erfolgen wie auch Sorgen und Problemen. Ortstermine gab es auf dem Rheinfelderhof in Wallerstädten, beim Verein SoLaWi in Rüsselsheim, auf dem Werrngässer Hof in Crumstadt und dem Röderhof in Trebur.

Die Betreiber*innen zeigten sich dankbar für das Interesse an ihrem Tun. Zu den am häufigsten besprochenen Themen zählten Arbeitsbedingungen, der gewünschte Bürokratieabbau, steigende Kosten und die Folgen des Klimawandels. „Ich bin froh über die offenen Worte und die klare Darstellung der jeweiligen Situation“, sagt Adil Oyan bilanzierend. „Um Betriebe unterstützen zu können in ihrem Umstieg auf Ökolandbau – so wie wir es als Mitglied der Ökomodellregion Süd wollen –, müssen wir wissen, wo der Schuh drückt.“

Hier gibt es Kreislaufwirtschaft

Den Rheinfelderhof in Wallerstädten (www.senckenberg.com) hat der studierte Landwirt Andreas Senckenberg 2014 von seinem Vater übernommen. Gut 200 Hektar eigenes Land bewirtschaftet er mit seinen Mitarbeitern, plus 150 Hektar zusätzlich gepachteter Fläche. 16 Kulturen werden im Betrieb angebaut, darunter Sonderkulturen wie Melisse, Pfefferminz, Salbei, Brennnessel und neuerdings Kürbisse. Auch 6000 Haselnussbäume gehören zum Betrieb. Ein weiterer Betriebsteil ist der Pferdestall für bis zu 60 Pferde, die dort untergestellt werden können. Hier gibt es Kreislaufwirtschaft: Aus dem eigenen Gras wird Heu für die Tiere. Die Pferdeäpfel werden als Dung für die Felder verwertet.

Der Übergang zum Biohof hat rund sieben Jahre gedauert, berichtet Andreas Senckenberg. Beginn war im Jahr 2017. Die nötige Büroarbeit ist umfassend – und „kontraproduktiv für einen Bio- und Familienbetrieb“, sagt Senckenberg. Die Vorgaben würden immer umfassender und „es dreht sich alles so schnell. Ich bin in die Biolandwirtschaft gegangen, weil es eine tolle Idee ist, weil es nachhaltiger ist, in einer Art Kreislauf zu arbeiten.“ Aber er wünscht sich mehr Realitätsnähe. Weil etwa die Brennnessel von der WI-Bank als Ackerkultur und nicht unter die Kräuter eingeordnet wird, gebe es weniger finanzielle Förderung für den Anbau. Auch wünscht sich der Biolandwirt, dass die Wirtschaftsförderung des Kreises die Landwirtschaft verstärkt in den Blick nimmt.

Nach dem Besuch des Rheinfelderhofs stand der Besuch des 190 Mitglieder zählenden Vereins Bio SoLaWi Auf dem Acker e.V. in Rüsselsheim (SoLaWi: Solidarische Landwirtschaft) auf der Agenda. Sandra Wolf und Ute Schluckebier empfingen den Ersten Kreisbeigeordneten und erläuterten die Praxis: Die SoLaWi-Mitglieder finanzieren durch ihre Beiträge Gärtner, die Gemüse auf drei Hektar Fläche anbauen. Fruchtwechsel mit Gründüngung gehören dabei zum Grundprinzip. Humusanreicherung hilft, das dringend benötigte Wasser im Boden zu halten und ohne Pestizide und künstlichen Dünger zu wirtschaften – denn die SoLaWi ist biozertifiziert. Auf dem Wege wird für Biodiversität und klimaschonenden Anbau gesorgt.

Es wird immer etwas Neues ausprobiert

Gewollt ist die Mitarbeit der Vereinsmitglieder, wie jüngst zum Beispiel beim Ernten der Bohnen. Aber auch Praktikant*innen sowie junge Menschen im freiwilligen ökologischen Jahr werden mit beschäftigt. 145 Mitglieder freuen sich über die etwa 60 verschiedenen Kulturen in Form von Salaten, Sommergemüsen wie Tomaten, Gurken, Paprika und herbstlichen Kohlarten. Es wird auch immer etwas Neues ausprobiert. Aktuell ist es Ingwer. Wer Lust auf dieses Biogemüse hat, kann sich als Mitglied aufnehmen lassen und dafür Ernteanteile über das Anbaujahr verteilt genießen (Weiteres unter: www.aufdemacker.de).

Nach den Wünschen gefragt, steht auch für den Verein SoLaWi der Bürokratieabbau an erster Stelle. Zudem würde man gern auf den Dieselgenerator verzichten können, der die Bewässerung in trockenen Zeiten sicherstellt. Dafür zeichnet sich aber noch keine Lösung ab, da der Hof nicht über einen Stromanschluss verfügt. Der kleine Folientunnel hilft bei der Verlängerung der Anbauzeit von Fruchtgemüsen. Der erst kürzlich beschaffte Krähenschreck hat einige Schwierigkeiten mit den spiellustigen Vögeln beendet.

Der Werrngässer Hof prodziert in Naturlandqualität

Auf dem Werrngässer Hof in Crumstadt begrüßte Tobias Hebermehl Adil Oyan und seine Begleitung. Der Landwirt bewirtschaftet 142 Hektar Fläche biologisch. Bereits seine Eltern Volker und Claudia Hebermehl begannen 2005 mit der Umstellung auf ökologischen Anbau. Im Jahr 2019 war es dann geschafft – alle Flächen waren umgewandelt und produzieren in Naturlandqualität.

Angebaut werden Gartenkresse für die spätere Sprossenkultur, Schnittlauch und Schnittknoblauch für den Tiefkühlmarkt, Liebstöckel und Ringelblumen. Kartoffeln, Zuckerrüben und verschiedene Getreidesorten sowie Grünland und die für die Nährstoffanreicherung so wichtigen Luzerne bestimmen den Fruchtwechsel.

Da die Kulturen nicht mit Pestiziden bearbeitet werden dürfen, wird mechanisch gegen die unerwünschten Pflanzen vorgegangen. Neben den passenden Striegelmaschinen mussten noch etwa zehn weitere Maschinen für den Bioanbau angeschafft werden.

Spannend ist die Herkunft der Düngemittel für den Biobetrieb. Normaler Kompost aus den Kompostwerken wird nicht eingesetzt, da der Plastikanteil darin zu hoch ist. Gern genommen werden verrotteter Grünschnitt, Gärreste aus der Biogasanlage in Wallerstädten, Pferdemist, aber auch „Champost“ aus der Pilzzuchtanlage im Kreis. Wichtig sind kurze Wege. Diese sind leider bei der Weitergabe der Ernteprodukte nicht immer möglich. So werden die Zuckerrüben nach Rhein am Lech gefahren, da dort die nächste Zuckerfabrik ist, die Biozucker herstellt. Die Strecke mit zehn Stunden Fahrzeit ist aber in jedem Fall kürzer als bei der Importware Rohrzucker aus tropischen Ländern.

Die Umstellung auf Bio bereut Tobias Hebermehl nicht

Auf die Herausforderungen des Klimawandels angesprochen, schätzt sich Tobias Hebermehl glücklich, dass er an die Rheinwasseraufbereitungsleitung angeschlossen ist und bei Bedarf all seine Flächen beregnen kann. Jedes Jahr bringt neue Herausforderungen für den Betrieb mit sich, erzählte er: ob Hitze oder die eingewanderte Schilf-Glasflügelzikade, die die Kartoffel so schädigt, dass sie 80 Prozent weniger Ertrag bringt. Befragt danach, ob die Familie die Umstellung auf Bio schon einmal bereut habe, antwortete Tobias Hebermehl ganz klar mit „Nein“. Das sei die beste Entscheidung überhaupt gewesen.

Neben den Vorteilen für die Umwelt durch Verzicht auf Pestizide, der Förderung der Bodenqualität und natürlich dem Schutz der eigenen Gesundheit habe es immer auch gute finanzielle Erträge gegeben.

In der vergangenen Woche nun ging es zum Röderhof in Trebur. Dort begrüßte Familie Metzger die Gäste. Angefangen hat hier alles mit einem Projekt gemeinsam mit dem NABU: Rinderhaltung auf Streuobstwiesen. Bei der Hofübernahme von den Eltern war klar, dass es aus Überzeugung ein Biohof sein soll, so Stefan Metzger. Mittlerweile gibt es viele Stammkunden aus der Region für das Galloway-Gourmetfleisch. Geschlachtet wird im Ort. Das Fleisch wird dann auf dem Hof weiterverarbeitet und im eigenen Hofladen verkauft.

Der Hofladen wird liebevoll von Doris Metzger geführt. Neben der Fleischtheke umfasst er viele weiter biologische Produkte aus der Region, wie Bäckereiwaren oder Molkereiprodukte. Tochter Sara studiert aktuell Agribusiness an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf und schließt nicht aus, eines Tages in den Familienbetrieb einzusteigen.

Die Dächer der Hofgebäude sind mit Photovoltaikanlagen ausgestattet. Noch wird der so gewonnene Strom eingespeist, aber bald wird auf Eigenverbrauch umgestellt. Auch Speicher für den privaten Gebrauch stehen bereit. Neben der Rinderhaltung hat die Familie weitere Steckenpferde: Imkerei, Schafhaltung, den Garten.

(PS)

SoLaWi: von links Sandra Wolf, Ute Schluckebier und Adil Oyan.
Röderhof: von links Adil Oyan, Stefan Metzger und Doris Metzger.
Rheinfelderhof: von links Erster Kreisbeigeordneter Adil Oyan, Sven Christiansen, Fachbereichsleiter Regionalentwicklung, Wirtschaft und Umwelt sowie Andreas Senckenberg.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein